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TOBI /// 2000

„Na, wie steht er, der Hans-Peter?“

Frau Schwalbe, in nahezu jedem Briefanfang, 1999


-3,5 Dioptrin /// 100% braune Locken /// 20% Liebe /// mindestens 20 cm


Die Party war eigentlich noch nicht vorbei, aber fast alle gegangen. Zwei Monate und neun Tage waren wir bereits zusammen. Es war Tobis Idee, schon ins Bett zu gehen. Ich hätte gut noch zwei Gläser Mut-Moscato gebrauchen können, aber es schien mir unhöflich, Alkohol dem Freund vorzuziehen.

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Tobi war fast ein Kopf kleiner als ich. Im Gegensatz zum Rest der Bevölkerung störte mich das nicht. Auch heute verstehe ich außer wegen der Kuss-Höhenunterschied-Praktikabilitäts-Gründe nicht, warum ein Mann zwingend größer als die Frau sein muss. Praktisch wäre es nur, wenn beide gleich groß wären. Oder liegt es daran, dass Frauen eher selten Männer hochheben, um sie zu küssen? Männer sollten das zumindest theoretisch können, das wirkt so charmant, so süß und wer will nicht zum Himmel gehoben werden. Sei’s drum. Ich war damals schon groß und stand über den Dingen.

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Meine Freundin Claudi stand hingegen auf Tobi. Sie hatte es mir vor drei Monaten verraten. Aus Rücksicht auf ihre Gefühle kamen wir deshalb erst sechs Tage nach unserem ersten Kuss – Silvester im Garten – zusammen. Zwei Monate und neun Tage später lag ich neben ihm im Bett. Claudi hatte mir mit einem dem großen Freundschaftsschwur erlaubt, mit ihm rumzumachen. Keine Freundin stellt sich der wahren Liebe in den Weg. Das galt früher, das gilt heute, wir werden sehen, was die Zukunft bringt.

Draußen war noch kalter Frühling und Tobi zog mich unter der geblümten Decke zu sich. Sehnsüchtig hörte ich die letzten Gäste aufräumen. Während er sich wünschte, dass sie endlich gingen, wünschte ich, sie würden in unser Zimmer platzen. Mein Herz klopfte mir bis zur Stirn.

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Tobi war knapp zwei Jahre älter als ich. Er hatte mir schon öfter unser T-Shirt gegriffen. Ich wusste, dass er nicht wirklich müde war.

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Josi war die erste in unserer Mädelsclique, die es getan hat. Schließlich war sie jetzt schon drei Monate mit Fabian zusammen. Die beiden konnten die Finger kaum von einander lassen. Er hatte Kerzen angezündet und ihr zärtlich die Unschuld geraubt. Ab und zu saßen sie vor uns und züngelten in freier Luft rum. Ich fand das ziemlich eklig, aber hatte Heidenrespekt vor Josi. Sie war überzeugt von sich und ihrer Weiblichkeit und Fabi stand endlos auf sie. Was ich bei ihr bewunderte, machte mir bei Tobi Angst.

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Vielleicht war er mir doch zu klein, ging mir durch den Sinn. Selbst neben mir liegend, fiel auf, dass ein Kopf fehlte. Er küsste mich. Seine Hand glitt zielgerichtet unters Shirt, während ich mich krampfhaft an seinem Hals festhielt. Hoffnungslos versucht er, meinen BH zu öffnen. Ich wusste nicht genau, ob ich froh sein sollte, dass es nicht klappt oder ich genau deswegen langsam keine Lust mehr hatte. Ich war wohl eher froh, denn so richtig glücklich war ich mit meinen Brüsten immer noch nicht. Durch das schnelle Wachsen hatte ich Dehnungsstreifen bekommen. Ziemlich unschön, fand ich damals, und obwohl es im Zimmer stockduster war, hatte ich Angst, dass er sie fühlen konnte. Tobi hatte also sein Bestes und damit auf-gegeben, jetzt war ich dran. Er nahm meine Hand von Hals Richtung Gürtel. Ähnlich fingerfertig wie er bekam ich das Ding nicht auf. Er hatte kein Problem dabei, mir zu helfen. Zwei Sekunden später war die Hose samt Boxershorts runter gezogen und sein praller Penis lag offen vor mir. Plötzlich war es überhaupt nicht mehr stockduster. Vielleicht ließ ihn der Mondschein so bedrohlich wirken. Da lag er vor mir, ziemlich behaart drumherum, etwas krumm und überraschend groß. Er fühlte sich eigenartig ledrig an. Irgendwo hatte ich gelesen oder Josi hatte es erzählt, dass ich meine Hand um ihn legen sollte. Noch bevor ich ihn richtig anfasste, war ich überzeugt, ihm demnächst wehzutun, aber er stöhnte kurz auf. Ein sicheres Zeichen, dass es ihm wohl gefiel. Schnell zog ich meine Hand wieder weg. Alles in Ordnung? Kurz schüttelte ich mit dem Kopf. Egal, wie selbstbewusst Josi war, ich war ehrlich. Das war mir zu viel. „Wirklich, Frau Schwalbe?“ Es tat mir leid, wirklich leid. Er nahm es – für mich erstaunlich verständnisvoll – hin. Überraschend schnell war das Teil wieder verstaut und er nahm mich in den Arm. Ein paar Sekunden später war er eingeschlafen und ich wunderte mich wie laut ein kleiner Mann schnarchen konnte.

Das war er also, mein erster Penis. Irgendwie komisch und im Verhältnis zu Tobi irgendwie groß.


„Ich hab vor zwei Tagen mit Tobi Schluss gemacht. Ich fühle mich irgendwie besser. Im Gegensatz zu Tobi, weil dem geht’s anscheinend nicht so blendend wie mir.“

Tagebuch Frau Schwalbe, 14.3.2000

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