INTRO
„Ich hab da noch ein Problem, wenn man es denn so nennen möchte.“
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Ein kurzer prüfender Blick, bis dato hatte ich hauptsächlich über meine gescheiterten beruflichen Aspekte gesprochen, also nehme ich mich kurz zusammen, unterbreche den Tränenfluss und sage es gerade heraus.
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„Ich hatte noch nie eine Beziehung.“
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„Ich verstehe.“ Er räuspert sich kurz. Sein Blick verrät, dass er denkt, ich wäre Jungfrau. Also Moment mal.
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„Ich habe schon Sex. Ich mein, ich bin über 30. Guten Sex. Schlechten auch. Das ist jetzt nicht das Problem. Aber eine echte Beziehung, die hatte ich eigentlich noch nie.“
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Schweigen. Scheinbar weiß er nicht, was er dazu sagen soll. Jetzt bin ich endgültig verrückt. Ich mein, gibt es das denn? Anfang 30, sozial kompatibel, keine Jungfrau und nie, wirklich nie, hat sich mein Gegenüber mit meinem Gefühl getroffen? Der denkt doch, ich spinne. – Soll er doch. Ist ja nicht umsonst mein Therapeut.
…
Eigentlich weiß ich selbst nicht, ob ich gerade die „große“ Liebe suche oder allein mit den Abenteuern glücklich bin. Dennoch finde ich mein Liebesverhalten auffällig. Durch die schwindende Erinnerung an meine letzte ernsthafte dreimonatige Liaison mit 20 (die käme einer Beziehung wohl am nächsten) zweifle ich, an meiner Fähigkeit zu lieben. In meiner Selbstberuhigung lag bisher alles am Zufall und den Umständen. Doch kann das wirklich noch stimmen oder habe ich mich selbst zum Liebeskrüppel erzogen?
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Mit 16 hatte ich ein sogenanntes „Männertagebuch“, darin habe ich penibel festgehalten, mit wem ich rumgeknutscht, wer mich angelächelt und wen ich angehimmelt habe. Nachdem das Buch voll war, folgte nur noch eine unromantische Liste. In einem Schubfach Zuhause führe ich ein DIN A4 Blatt über die Menschen, mit denen ich geschlafen habe. Das Lächeln Einzelner hat an Bedeutung verloren. Aus Angst vor der Verachtung der weiblichen Zweistelligkeit an Sexpartner*innen, wurden meine Paarungsversuche zu meinem bestgehütetesten Geheimnis. Eine schamvolle Liste. Aber Scheiß drauf. Sie und alle dazugehörigen Erinnerungen erzählen einiges über mich und vielleicht führen sich mich zur Antwort: warum das mit der Liebe denn so kompliziert ist. Scheiß auf Scham, lernen wir doch lieber was daraus.
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Unter dem Pseudonym Frau Schwalbe erzähle ich Geschichten aus meinem Liebesleben und erforsche so meinen Stand der Dinge.
Ab sofort soll jeder Flirt, jedes Lächeln, jeder Kuss, jeder Sex wieder Beachtung finden. Ab sofort lernt Frau Schwalbe lieben.
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*alle Namen werden im Sinne der Geschichte geändert. Ähnlichkeiten zu realen Personen werde ich nicht vermeiden, aber um die Anonymität zu wahren, maße ich mir an, einige Geschichten anzupassen. Aber ganz sicher ist: Alles Geschriebene ist einmal passiert.